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Aufbau Ost oder die geschichte vom nacktbaden

Donnerstag, Oktober 06, 2005

abseits von aller erotik, lese ich seit tagen interessiert die textwellen mit, die der eintrag des liebsten zum "tag der deutschen einheit" ausgelöst hat.
heute abend gab es sogar einen trackback - zum meikblog, wo ein paar gute gedanken stehen, allerdings begleitet von ein wenig entrüstung.
und er hat recht der meik - mit dem was er da denkt kann man was anfangen. fang ich also auch mal an.

der tag der deutschen einheit, ist für mich kein besonderer tag - was nicht heisst, das mir die deutsche einheit egal ist. ganz im gegenteil.
am tag an dem die mauer fiel, saß ich mit hasenpuschen an den füßen vor dem fernseher und habe nicht verstanden, warum sich auf dem bildschrim alle freuen. ich habe aber verstanden, daß da gerade etwas ziemlich tolles passiert, denn mein papa hat zum ersten mal vor mir geweint.

das hat er nicht, weil er so schrecklich rührselig ist, sondern weil er wusste, daß er plötzlich einen großen teil seiner familie wiedersehen konnte-
denn mein papa wurde in dresden geboren und ist abgehauen, bevor sie den letzten stein gesetzt hatten. in letzter konsequenz gäbe es mich also nicht, wenn meine oma ihm nicht gesagt hätte, daß er die beine in die hand nehmen soll.

meine kindheit bis 89 wurde begleitet von den üblichen paketsendungen und sammelaktionen. der osten war da, wo meine alten spielsachen wohnen und als tatsächlich eines tages die schwester meiner oma zu besuch war, war ich höchstfasziniert von ihrem dialekt und außerdem froh, daß meine oma nicht der einzige mensch war, der nicht "joghurt" sondern "juggert" sagte.

als es dann tatsächlich ging, als man tatsächlich "rüber" fahren konnte - so ganz problemlos, da haben sie mich mich ins auto gesetzt und wir sind los, gen osten, studenlang. den kofferraum voll mit überraschendem und bestellten. und ich hatte angst. weil mein papa angst hatte.
als die zollgebäude in sicht kamen, saß mein tapferer papa weiss wie die wand am steuer und zitterte - so sehr das meine mama ihn anhalten ließ um zu übernehmen. als die reifen langsam über die metallschikanen klockerten, hielt sie seine hand und keiner sagte ein wort. es war grabesstillel im westmobil und draußen war alles fremd. fremde häuser, fremde autos, fremde menschen. und mein papa war fremd - sie hatten irgendwas mit ihm gemacht. es hatte irgendwas mit ihm gemacht. was auch immer es war - ich war sauer und froh, daß es verloren hatte.

familienvereinigungen auf deutsch sind ein bisschen anders als die bei kai pflaume. weil sich keiner gesucht hat. weil ja alle wussten wo der andere war.
familienvereinigungen auf deutsch sind, als ob man im zoo vor dem aquarium steht und reinstarrt. direkt ins auge der anderen seite.
es ist eingefroren, bis es langsam auftaut. bis sie verstehen, daß da gar kein glas mehr ist. erst dann streckt einer die hand aus - die wird dann geschüttelt, ein bisschen, bis der damm bricht und die umarmung hilft. so war das bei uns.

und ich glaube, in der großen deutschen familie ist das noch immer so.
nicht bei allen - aber bei denen die, wie mein vater zum beispiel, von anfang an dabei waren. für die es nie normal war, geteilt zu sein. denen schwarz und weiß so lange auf´s auge gedrückt worden ist, bis sie farbenblind wurden.

und ja, es gibt neidische ossis und bornierte wessis. und ja, es gibt sie - die mauer in den köpfen.
das hat bei manchen mit dummheit zu tun. bei vielen aber noch immer mit angst. weil sie zugesehen haben, wie ihre familien geteilt worden sind und sich schuldig fühlen, weil sie gegangen sind. oder weil sie sich im stich gelassen fühlen.

abseits aller politik, glaube ich aber, daß dieses volk damit ganz gut zurecht kommt. denn schon ich gehöre zu einer generation, die diese erlebnisse größtenteils nicht hat. die emotionen mit 89 verknüpft aber keine vorurteile.
die mit "osten" die geographische lage meint und nicht die politische.
die am nationalfeiertag nicht anstösst - aber für die es ganz normal ist, in einem vereinigten deutschland zu leben.
wo es nette leute und totale arschlöcher gibt. egal wo.
aber man erkennt oft sie daran, daß sie schrecklich gern über politik reden.
einfach nicht hin hören!

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